Führungskräfte sollen viele Jobs, ausgesprochene und unausgesprochene Aufträge, plus diverse Rollen möglichst vorbildlich beherrschen. Sie sollen fachlich hochkompetent sein und trotz der meist hohen Arbeitsbelastung im Führungsgeschäft selbst einspringen wo immer (Personal-)Mangel herrscht. Sie sollen fast zwangsläufig entstehende Elternübertragungen plus alle gängigen Führungsrollen gekonnt und souverän „professionell“ bewältigen. Sie sollen sich vorbildlich und möglichst durchgängig selbst reflektieren; das Team natürlich voranbringen, motivieren, kontrollieren aber nicht – zu – spürbar, also niemandem weh tun, und jederzeit auf alle – auch banalste Alltagsfragen – eine passende Antwort parat haben! Führungskräfte stellen in den Augen ihrer Mitarbeiter eine Art Wikipedia auf zwei Beinen dar und wissen „natürlich“ auf alle betrieblichen Fragen eine passende Antwort. Und schließlich ist bei all den Anforderungen eine prima Außendarstellung und Marketingexpertise heutzutage Basis im Führungsgeschäft; Vernetzung, Kundengerechtigkeit à la carte wissen Führungskräfte selbst und sicher auf den
Weg bringen.
Dieser kleine Einblick in den faszinierenden Facettenreichtum der gekonnten Führungskür, die möglichst locker zu leisten ist, lässt erahnen, warum Führungsjobs heutzutage sich hoher Wechselfrequenzen bei niedriger Bewerber/Innenquote erfreuen.
Gleich vorweg: Frauen sollen ja gendermäßig besonders ergriffen sein vom Führungsgeschäft! Wie das mit Familie z.B. Pflege von älteren Angehörigen oder gar Kindern vereinbar sein soll, bleibt immer noch weitgehend ein – gut gehütetes Geheimnis – dieses hochflexiblen Multitasking-Geschlechts. Denn immer noch und statistisch schon x-mal nachgewiesen: unbezahlte Sorgearbeit ist weiblich.
Frauen als Führungskräfte brauchen privat Partner und Partnerinnen, Angehörige und Freunde, die „ihnen den Rücken frei halten.“ Dieses Führungskräftegesetz gilt „natürlich“ für beide Geschlechter. Bei Frauen allerdings wirkt, wie Marianne Birthler in ihrer Biographie geschrieben hat, Macht weniger attraktiv als bei Männern. (M. Birthler, Halbes Land, ganzes Land, ganzes Leben, Berlin 2014) Birthler wies im Mai diesen Jahres bei einer Podiumsdiskussion noch auf einen anderen, vielleicht besonders Frauen betreffenden, Punkt hin als sie sagte: “Macht an sich ist nichts Schlechtes, es ist die Frage wofür wird sie eingesetzt? Für die eigene Machtvermehrung und eigene Interessen oder für das Gemeinwohl möglichst vieler Menschen?“
Diese wesentliche Frage, die Birthler hier stellte, weist neben der Frage, ob Führung – auch – weiblich sein kann, zugleich auf einen anderen Aspekt von Führung hin: zu führen, bedeutet immer auch Macht auszuüben und ist optimaler Weise mit der Reflexion der komplexen Aspekte von Macht eng verbunden.
Tatsächlich ist in Führung zu gehen und einen Job als Team-/ Abteilungs- /Betriebsleitung anzunehmen, nicht selten mit dem Wunsch gestalten zu können, weniger abhängig zu sein von den Entscheidungen Anderer, kreativ zu sein, Karriere zu machen, Erlerntes – endlich – umsetzen zu können, andere Menschen zu führen und der Lust an den imaginierten und realen Freiheiten
einer Machtposition verbunden. Macht an sich kann durchaus lustvoll sein, wird sie nicht missbraucht sogar sehr nützlich.
Ehrlicher Weise sei gesagt, dass viele Führungskräfte, erst allmählich in ihrem Führungsdasein erfahren, „wo Licht ist, ist auch Schatten!“ Nicht wenige Führungskräfte fühlen sich eingezwängt in Sachzwänge und den oben schon beschriebenen Erwartungshorizonten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Frauen besonders, auch hier ist noch deutlich Luft nach oben, haben zudem immer wieder und vielleicht mehr als ihre männlichen Mitstreiter mit geschlechtsspezifischer Missgunst, dem Neid von Frauen, die auch gerne in Führung wären und den Ängsten der Männer vor mächtigeren Frauen zu tun. Alles ist natürlich besser geworden. Im jeweils eigenen Betrieb ist man(n) nicht so rückständig. Keiner klammert sich hier an solche Urformen patriachalen Rollenkleisters und bastelt sich daraus eine je eigene Welt. Vorbei?!
Und es gibt, beispielsweise im Gesundheitswesen, ganze Hierarchieetagen, die weiblich besetzt sind; vorzugsweise die mittleren. Hier gibt es viele Jobs im berühmten Sandwich, die mittlerweile fest in weiblicher Hand sind. Ganz oben in den Vorstandsetagen ist mehr Mount Everest Luft, die den Frauen anscheinend weniger zugemutet werden kann: Lungenvolumen? Oder schlicht die Männer haben den längeren Atem?
- Was gehört nun essentiell zum Führungsgeschäft:
- Vorbild sein
- Menschen führen (können). Ohne Gefolgschaft kann Führung nicht ent- /und bestehen
- Entscheidungen treffen, auch unbequeme
- Durchsetzungsvermögen
- Authentizität, das heißt noch nicht ethisch korrekt handeln!
- Den Überblick über das Ganze haben; strategisch denken
- Integrationskraft
- …und sich nicht in Spaltungsmanöver hineinziehen lassen
- Sinn für die Wirklichkeit haben, besonders auch in
- betriebswirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht
- Die Fähigkeit, Probleme zu begrenzen
- sich gegenüber den komplexen Forderungen auf verschiedenen Ebenen von Mitarbeitern bis zum Kunden; vom Druck von „oben“ und der Rentabilitätsmarge usw. abzugrenzen.
- Sowohl sich selbst als auch die Mitarbeiter angemessen zu schützen.
- Paradoxien zu balancieren und auszuhalten
- Leistungsorientiert und integer zu sein; usw.
Mit dieser kleinen Einführung in das, wie wir gesehen haben, hochkomplexe und dennoch verlockende Führungswesen und Führungsgeschäft, möchte ich mich in die Sommerpause 2021 verabschieden. Hinweisen will ich noch auf das Projekt Führungskräfte-Coaching. Lesen Sie mehr dazu unter www.karinbrüggemann.de und www.barbaraglaser.de.